Nicht immer gibt es im Todesfall gesetzliche oder testamentarische Erben. Und nicht selten kommt es dazu, dass alle in Frage kommenden Erben die Erbschaft ausschlagen. Doch was passiert eigentlich, wenn niemand das Erbe antritt? Wann erbt der Staat?

Was passiert, wenn niemand das Erbe antritt?

Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gilt die Grundregel, dass zu jedem Verstorbenen auch Erben gehören. Es gibt keinen Fall, in dem es keine Erben gibt. Wenn also niemand das Erbe antritt und/ oder keine Erben ermittelt werden können, muss das Gesetz einen Erben festlegen. In Deutschland übernimmt in solchen Fällen der Staat diese Rolle. Konkret zuständig ist das Bundesland, in dem der Verstorbene zuletzt seinen Wohnsitz hatte.

Achtung: Wer zum Kreis der gesetzlichen Erben zählt, muss das Erbe ausschlagen. Was passiert, wenn Sie sich nicht im Vorfeld informieren und rechtzeitig das Erbe ausschlagen, lesen Sie hier in unserem Artikel zum Thema Erbfallschulden.

Die staatliche Übernahme des Erbes

Zur Übernahme des Erbes und der gesamten Nachlassentwicklung kann es durch unterschiedliche Fallgestaltungen kommen. Dies sind die häufigsten Konstellationen, in denen der Staat als Erbe fungiert:

  • Wenn alle möglichen Erben das Erbe ablehnen, oft aufgrund von Schulden oder anderen finanziellen Belastungen, und niemand bereit ist, das Erbe anzunehmen. In solchen Fällen wird die Suche nach weiteren Erben vom Gericht eingestellt.
  • Wenn das Nachlassgericht keine Erben ermitteln kann, weil die wahren Erben unbekannt oder nicht auffindbar sind.
  • Wenn der Verstorbene in seinem Testament den Staat als Erben benannt hat. In der Praxis sind testamentarische Erbschaften oft zweckgebunden, beispielsweise für wohltätige Zwecke oder die Unterstützung kultureller Institutionen wie Museen.

Vorrangig müssen Erben ermittelt werden

Nicht immer erfährt man als gesetzlicher Erbe vom Tod des Erblassers. Besonders bei alleinstehenden Personen, die kein Testament aufgesetzt haben, kommen entfernte Verwandte in Betracht, die teilweise nicht einmal Kenntnis von der Existenz des Erblassers hatten. Gemäß § 1929 Abs. 1 BGB sind gesetzliche Erben der fünften Ordnung und der ferneren Ordnungen die entfernten Voreltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Das bedeutet, dass im Prinzip jeder Mensch über irgendeine weit entfernte Verbindung miteinander verwandt ist. Wie werden Erben also ermittelt und wie sorgfältig gehen die Gerichte dabei vor?

Die Nachlassgerichte, in der Regel Amtsgerichte, sind verpflichtet, potenzielle Erben zu ermitteln, sobald sie Kenntnis von einer Erbschaft ohne erkennbare Erben erhalten (§ 1964 BGB, §§ 26, 342 I Nr. 4 FamFG). Die Intensität der Erbenermittlung liegt im Ermessen des Gerichts und hängt oft vom Wert des Nachlasses ab. In der Praxis gestaltet sich die Ermittlung von Angehörigen ab der vierten Ordnung jedoch oft als äußerst schwierig und mit unverhältnismäßigem Aufwand. Neben der Pflicht zur Erbenermittlung ist das Nachlassgericht auch dafür verantwortlich, den Nachlass zu verwalten und zu sichern (§ 1960 BGB). Das Gericht kann einen sogenannten Nachlasspfleger ernennen und ihm die Aufgaben der Erbenermittlung und der Sicherung des Nachlasses übertragen. Der Nachlasspfleger handelt im Interesse der unbekannten Erben und trägt die Verantwortung dafür, dass der Wert des Nachlasses nicht ungerechtfertigt abnimmt.

Erbrecht des Staates durch formalen Beschluss

Wenn sich innerhalb einer angemessenen Frist keine Erben ermitteln lassen oder das Nachlassgericht die Suche nach Erben einstellt, hat das Gericht die Befugnis, das Erbrecht des Staates durch einen formellen Beschluss festzustellen (§ 1964 BGB). Der Staat kann diese Erbschaft nicht ablehnen (§§ 1936, 1942 BGB). Doch wann erbt der Staat genau? Erst nach Verkündung des Beschlusses kann der Staat Rechte aus der Erbschaft geltend machen. Vorher kann er jedoch weder Ansprüche geltend machen noch für Verbindlichkeiten haftbar gemacht werden (§ 1966 BGB).

Einschränkung bei der Erbenhaftung

Wann erbt der Staat, wenn der Nachlass verschuldet ist? Wenn der Staat die Erbenstellung einnimmt, ist die Haftung auf das Nachlassvermögen begrenzt. Die Haftung mit dem gesamten Vermögen des Bundeslandes, das die Erbschaft übernimmt, besteht nach einem Urteil des BGH nicht (Urteil vom 14.12.2018, Az. V ZR 309/17).

Begründet wird dies damit, dass der Statt – im Gegensatz zu einem “echten” Erben – nicht die Möglichkeit, die Erbschaft innerhalb einer Frist von sechs Wochen abzulehnen. Er hat also keine Chance einer Haftung zu entkommen. Der BGH sieht daher in dieser Privilegierung des Staates eine gerechtfertigte Regelung. Die Richter argumentieren vor allem mit dem Zweck von § 1936 BGB. Diese Regelung soll primär sicherstellen, dass “herrenlose” Nachlässe vermieden werden. Der Staat sorgt somit in der Regel nur für eine ordnungsgemäße Abwicklung des Nachlasses und haftet nicht persönlich, solange er sich nicht über seine Pflichten hinaus engagiert (z.B. durch die Nutzung von Immobilien).